Arbeit und das Gute Leben
Leben wir, um zu arbeiten, oder arbeiten wir, um zu leben? Arbeit ist ein Teil unseres Lebens, der oft nur unzureichend erfasst ist. Viele Arbeiten werden nicht als solche gezählt, weil sie nicht bezahlt werden (Haushaltsführung, Kinderbetreuung, ehrenamtliche Tätigkeiten). In der traditionellen Wohlfahrtsökonomie ist Arbeit vor allem eine Last, welche die Wohlfahrt des Einzelnen beeinträchtigt. Im Capability Ansatz lässt sich Arbeit als konstitutiver Bestandteil des guten Lebens fassen, der im Zusammenspiel mit anderen Lebensumständen das Wohlergehen beeinflusst.
Dynamik von Verwirklichungschancen
Der Capability-Ansatz von Sen in seiner aktuellen Fassung verwendet ein komparativ-statisches Modell, stellt aber zugleich die Wahlfreiheit von Personen - und damit einen Prozess - in den Mittelpunkt. Das Modell wird dem Prozesscharakter von Entscheidungen nicht gerecht und ist auf die Betrachtung des Wahlverhaltens zu einem Zeitpunkt beschränkt. Durch die Verknüpfung der Auswahl von heute mit den Wahlmöglichkeiten von morgen lässt sich diese Spannung auflösen. Die Fähigkeit auszuwählen wird in einem dynamischen Ansatz der Verwirklichungschancen nicht einfach als gegeben vorausgesetzt, sondern ihre Entstehung analysiert.
Zum Zusammenspiel der Dimensionen bei multidimensionalen Armutsmaßen
Armutsmessung umfasst im Allgemeinen zwei Schritte: die Identifikation der Armen anhand einer Armutsgrenze und die Auswahl eines Armutsmaßes, das die Armut in einer Gesellschaft zusammenfasst. Bei multidimensionaler Armutsmaßen müssen zusätzlich die Dimensionen zusammengefasst werden. Dies ist allerdings kein eigenständiger dritter Schritt, sondern wirkt sich auch auf die Identifikation der Armen aus: Reicht die Benachteiligung in einer Dimension aus, um zu den Armen zu zählen, oder bedarf es der multiplen Benachteiligung in allen Dimensionen? Während in der Praxis einiges für den Mittelweg spricht (Benachteiligung in mehr als einer aber weniger als allen Dimensionen), stellt sich theoretisch die Frage, ob multiple Benachteiligung tatsächlich schlimmere Armut bedeutet als die Benachteiligung in nur einer Dimension.